Exemplarische Kurzzusammenfassung
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Es folgt eine exemplarische Schwerpunkt-Analyse

Meyerhöfer beschäftigt sich in der Publikation mit den Ursachen für die sog. Rechenschwäche. Im Titel taucht zweimal der Begriff „Konstrukt“ auf. Nun sind Konstrukte grundsätzlich theoretischer Natur. Die „theoriesprachliche Beschreibung der Ursachen von Phänomenen“ (M.) ist allerdings kein Ersatz für eine wissenschaftlich überzeugende Definition. Diese sucht man im Text leider vergeblich. Außerdem gibt es keine Hinweise darauf, dass sich M. mit dem Forschungsgegenstand „Kind“ langfristig und „konkret“ befasst hat - wie gesagt, es handelt sich hier lediglich um „Konstrukte“.

Meyerhöfer setzt sich ausführlich mit dem Konstrukt der Rechenschwäche als Krankheit auseinander. Das wird von ihm - zu recht - abgelehnt. Den Grund für eine gegebene Rechenschwäche sieht er primär in einer „mangelhaften Beschulung“.

Dieser Aussage ist vom Grundsatz her zuzustimmen. Allerdings wird NICHT ausgeführt, dass die unzureichende Lehrerkompetenz (nachweislich) auf nicht existierende Grundlagenforschung der Pädagogischen Wissenschaften zurückzuführen ist. Leider bleibt der Verfasser auch im Nebulösen über die Tatsache, dass eine lernprozessrelevante Definition der Rechenschwäche bisher nicht vorgelegt werden konnte. Er versucht zwar, sich über das Konstrukt der „nicht bearbeiteten stofflichen Hürden“ (nbsH) ersatzweise einer Definition zu nähern. Aber dieser Versuch scheitert, weil er in durchaus richtiger Abkehr vom Krankheitsaspekt letztlich ausschließlich bei der Bearbeitung des (unverstandenen) Stoffes (!) landet.

Er stellt dazu u.a. folgende Fragen (Zitat):

„Wo steht das Kind bezüglich der stofflichen (!) Hürden?“

„Welche Fehler macht es?“

Meyerhöfer fordert als Konsequenz die „Bearbeitung (dieser) stofflichen Hürden“. Dieser Gedanke ist allerdings identisch mit dem Versuch, vermittels der sog. „Fehleranalyse“ (LORENZ) weiterzukommen. M. gelangt zu dem (partiell durchaus zutreffenden) Schluss, dass die Lehrer nicht wissen, wo die „stofflichen Hürden“ liegen. Deshalb werden Schüler mit der sog. Rechenschwäche geradezu erzeugt (gemeint: durch den fehlerhaften Unterricht).

Auch dieser These ist zuzustimmen, allerdings offenbart sich dadurch die bereits angeschnittene Problematik, dass weder eine überzeugende Grundlagenforschung noch eine tragfähige Definition bezüglich des Phänomens der Lernschwäche existiert. Das wird in diesem Zusammenhang jedoch leider nicht in angemessen deutlicher Weise hervorgehoben.

Richtig ist auch, dass z.B. die Renitenz eines Schülers nicht als Ursache, sondern als FOLGE des Versagens anzusehen ist. Es hätte jedoch auch hier betont werden müssen, dass sich das Versagen nicht nur auf die Lehrkräfte in den Schulen, sondern auch auf die Wissenschaftler der Universitäten beziehen muss (s.o.).

Sympathisch hingegen mutet das Eingeständnis an, dass (Zitat)

„wir noch immer relativ wenig darüber (wissen), warum manche Kinder ... einen Zahlbegriff nicht

urwüchsig erwerben und ob bzw. wie und warum

manche Kinder auch in anregungsarmen Umgebungen ihn urwüchsig erwerben.“

Meyerhöfer fordert, dass „alle Kinder in der Lage sein (müssen), den Schulstoff zu erwerben“. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob die unterrichtliche „Behandlung“ der von M. geforderten stofflichen „Kernbereiche“ ausreicht, um Erfolge unterichtspraktisch nachzuweisen.

Zu diesen „zentralen basalen (?) mathematischen (!) Inhalten = Kernelemente“ (Zitat) zählen angeblich die allseits bekannten Problemzonen des Mathematikunterrichts. Eine (unvollständige) Auswahl in Stichworten:

• kardinaler, ordinaler relationaler Zahlbegriff

• Ablösung vom Zählen

• Logik des Stellenwertsystems

• Operationslogik, schriftliche Rechenverfahren

• Division, Bruchrechnung

Meyerhöfer äußert in diesem Kontext den Gedanken, ob „man von einer strengen Hierarchie der Hürden ausgehen muss“. Er führt weiter aus, dass sein

„Konstrukt der nbsH auf mathematische INHALTE (!) konzentriert,

um der Beliebigkeitsfalle der vorhandenen Ursachenkataloge

des Rechenschwäche-Konstrukts keinen Raum zu lassen“.

Es ist leider nicht zu übersehen, dass Meyerhöfer infolge der fehlenden Definition von Rechenschwäche in die Verwendung unspezifischer Begriffsvarianten verfällt, die bestenfalls (unscharfe) symptomatische Beschreibungen eines Ist-Zustandes repräsentieren können. Eine Ursachenrelevanz oder gar ein definitorischer Aspekte ist nicht implementiert. Beispiele: „das Nichtverstehen“, „mathematisches Versagen“ u.a.

Der gravierende Fehler in der Darstellung des „Konstrukts der nicht bearbeiteten stofflichen Hürden“ lässt sich in zwei Punkten herausarbeiten:

1. Die (zu recht) vorgenommene Abkehr von der Krankheit als Ursache für die Rechenschwäche führt einseitig zu der auf den mathematischen STOFF reduzierten Sichtweise. Das geschieht offensichtlich, um das „Versagen“ des KINDES aus dem Fokus zu nehmen.

2. Dabei wird leider völlig übersehen, dass es außer dem „Krankheitsaspekt“ noch einen im weitesten Sinne therapeutischen Aspekt gibt. Dieser betrifft das DENKEN als natürliche Gehirnleistung eines jeden Menschen. Und weil es zweifellos Unterschiede in denk- und lernprozessualen Abläufen zwischen verschiedenen Menschen gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass automatisch die weniger leistungsfähigen Individuen nun etwa „krank“ sein müssen.

Leider muss abschließend festgestellt werden, dass der Verfasser aus einer sehr kindfernen Position heraus versucht, sich dem Problem des Forschungsgegenstands „Kind“ zu nähern. Leider weist auch nahezu die gesamte pädagogische Literatur diesen Mangel auf.

Zum Abschluss möchte ich noch auf den letzten Satz der Veöffentlichung hinweisen. Es heißt dort:

In der Mathematikdidaktik herrscht - nicht nur unter den Lehrern - eine Kultur ...

des gegenseitigen Nicht-Kritisierens“

Diese Aussage lässt immerhin hoffen.