Exemplarische Kurzzusammenfassung
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Es folgen zwei exemplarische Schwerpunkt-Analysen:

1. KORTE-Interview der Braunschweiger Zeitung vom 31.1.2014 (C. Steiner)

2. Veröffentlichung von Martin KORTE mit dem Titel: „Wie Kinder heute lernen“ Untertitel: Das Handbuch für den Schulerfolg - Deutsche Verlags-Anstalt, 2009

Optimismus - eine besondere Form des Informationsmangels

Verkümmerung wissenschaftlichen Denkens, dargestellt am Beispiel des „Gehirnforschers“ M. KORTE

Zum Interview der Braunschweiger Zeitung vom 31.1.2014:

Man lässt sich gern als „bekannter Hirnforscher“ vorstellen. Ein Zoologe, der sich als Professor für Zelluläre Neurobiologie gern mit den Synapsen in Mäuse- und Katzenhirnen befasst, tritt gegenwärtig als „Lernexperte“ für menschliches Lernen auf. Wenn dieser dann unbekümmert über menschliche Lernschwäche fabuliert, klingt das im Interview der Braunschweiger Zeitung so:

- „Das gemeinsame Lernen ist besonders für Kinder mit Lernschwäche geeignet... Sie profitieren sehr vom Unterricht in einem Klassenverband mit leistungsstarken Kindern.“

- „Die Lehrer müssen der weiteren Auffächerung des Leistungsstandes methodisch begegnen.“

- „Es sind kleinere Klassen nötig und auch eine zweite oder dritte Lehrkraft.“

- Die Lehrer müssen deshalb so ausgebildet werden, dass sie einen Teil der besonderen Förderung im Klassenverbund mit einbauen können. Das individualisierte Lernen muss das aufgreifen.“

Es ist schon erstaunlich, wie aus Mäuse- und Katzenhirnen schulische Empfehlungen abgeleitet werden können. Auch der „bekannteste Hirnforscher Deutschlands“, Gerald HÜTHER, spricht als Chemiker vergleichbare (pädagogische!) Empfehlungen aus.

Halten wird also fest: KORTE stellt sich offensichtlich - aber wahrheitswidrig - als Pädagoge dar. Er ist jedoch Zoologe. Geschäftsführend leitet er das Zoologische Institut an der TU Braunschweig. KORTE stellt Behauptungen auf, die pädagogisch völlig aus der Luft gegriffen sind. Das verwundert nicht weiter, denn er verfügt nicht über die geringste pädagogische Erfahrung - mit dramatischen Folgen: Die Virtualisierung des Denkens entfaltet im Hirn unqualifizierter pädagogischer „Experten“ irrationale Mythen und Illusionen, die einschränkungslos als dilettantisches Geplauder eingestuft werden müssen. Mit Blick auf die betroffenen Zielgruppen ist derart triviales Gerede darüber hinaus pädagogisch und wissenschaftlich verantwortungslos.

Ist also KORTE ein seriöser Wissenschaftler?

Dazu beantworten wir zunächst folgende Frage:

Was ist Wissenschaft?

Jede Wissenschaft muss einen Forschungsgegenstand haben. Im Falle der Lernschwäche ist der Forschungsgegenstand das (lebendige) „Kind“. Dieser Forschungsgegenstand ist forschungsmethodisch angemessen zu untersuchen. Angemessen heißt hier, dass langfristige lernprozessuale Abläufe berücksichtigt werden müssen. Nicht geeignet sind daher kurzfristige Tests, die forschungsmethodisch quantitativ angesetzt sind. Diese Tests liefern zwar vermeintlich „harte Daten“. Aber aus „Operationalisierungsgründen“ repräsentieren die scheinbar „exakten“ Messwerte nur das, was der Untersuchende selbst zuvor als vermeintlich „wesentlich“ festgelegt hat. Folgerichtig kann der intern-subjektiv ablaufende Lern-Prozess (!) des Kindes niemals erfasst werden. Die verfahrenstechnisch bedingte Operationalisierung reduziert jedes „Ergebnis“ auf die Ebene symptomatischer Spekulationen.

Um nun die „Wissenschaftlichkeit“ des o.g. Interviewpartners KORTE genauer zu hinterfragen, wird ergänzend die folgende Publikation desselben kritisch analysiert:

Martin KORTE: „Wie Kinder heute lernen“

Untertitel: Das Handbuch für den Schulerfolg - Deutsche Verlags-Anstalt, 2009

Bereits ein erster Blick auf das Inhaltsverzeichnis läßt befürchten, dass nur alltägliche Binsenweisheiten „volksnah“ aufgelistet werden, die seit Jahrzehnten bekannt sind. Die Befürchtung bestätigt sich beim Lesen. Nur wenige Stichworte reichen aus, um die pseudowissenschaftliche „Leistung“ zu belegen: Es geht ganz allgemein um Motivation, Konzentration, Gedächtnis, Intelligenz, Stress, Sprache, Ernährung, Elternliebe usw. Begriffsdefinitionen und pädagogische Grundlagenforschung sucht man vergeblich.

Man soll aber die Hoffnung nicht aufgeben - denn vielleicht bringt ja das Kapitel über Dyskalkulie Hinweise für wissenschaftliches Arbeiten.

Zitate:

• Dyskalkulie ist eine Teilleistungsstörung, die eine „genau umschriebene“ Teilleistungsschwäche darstellt.

• Die Ursachen der Dyskalkulie sind nicht bekannt.

• Es wird „vermutet“ ...., dass das räumliche Vorstellungsvermögen fehlt.

• Der Mathematikunterricht .... wird nicht „anschaulich“ genug unterrichtet.

Bereits diese wenigen Hinweise verdeutlichen, dass sich KORTE absolut kenntnisarm dem gängigen Mainstream populistisch anschließt. Er ist nicht einmal in der Lage, als sog. „Gehirnforscher“ eine lernprozessrelevante Definition des Dyskalkulie-Begriffs vorzulegen. Ohne begriffliche Definition sind jedoch alle weiteren Ausführungen ausnahmslos spekulativ und pseudowissenschaftlich. Folgerichtig kann KORTE auch nur „Vermutungen“ anstellen. Der Hinweis auf bessere „Veranschaulichung“ entbehrt jeder seriösen Grundlage, weil er bspw. den subjektiv-kindbezogenen Prozess der visuellen Wahrnehmungsverarbeitung nicht kritisch hinterfragt. Ein Armutszeugnis für einen sog. „Gehirnforscher“.

Unwissenschaftlich ist auch der Hinweis auf den vermeintlich „diagnostischen“ Blick. Denn ohne Definition des Kernbegriffs „Dyskalkulie“ kann es beim besten Willen gar keine (Kausal-)Diagnostik geben. Hier verwechselt KORTE völlig unqualifiziert zwei Aspekte, denn die Beschreibung eines Symptoms ist keine Aussage zur Ursache eines Problems.

Entsprechend dilettantisch und oberflächlich fallen die „Empfehlungen“ aus:

• Wichtig sei das Spielen mit Bauklötzchen, das Sortieren von Gegenständen nach Farbe und Größe und die körperliche Bewegung.

• Das Seilhüpfen, das Federballspielen, das Radfahren, das Schaukeln und das Jonglieren soll angeblich das räumliche Vorstellungsvermögen verbessern.

• Das Kind soll Gegenstände und vorbeifahrende Autos „zählen“.

Im Rahmen eines zum "Handbuch für den Schulerfolg" hochstilisierten "Werkes" erreicht eine derart beliebige und pseudowissenschaftliche Auflistung bestenfalls Stammtischniveau.

Fazit:

Alle Grundsätze für seriöses wissenschaftliches Arbeiten sind gravierend verletzt.

1. KORTE hat offensichtlich niemals mit dem Forschungsgegenstand „KIND“ längerfristig gearbeitet.

2. Eine langfristig angesetzte kindbezogene (!) pädagogische Grundlagenforschung des Zoologen KORTE existiert nicht.

3. Eine in sich schlüssige Theoriekonzeption zur Behebung der Lernschwäche ist an keiner Stelle ersichtlich.

4. Folgerichtig kann es auch keine unterrichtspraktische Überprüfung gegeben haben.

5. Die Definition des Kernbegriffs „Dyskalkulie“ ist nicht erfolgt.

 

Der Dilettantismus des Werks zeigt sich, wie bereits angedeutet, vor allem im Untertitel: „Das Handbuch für den Schulerfolg“. Eine von Wunschvorstellungen getragene völlig irrationale Aussage, die nur durch die erfahrungslose Unwissenheit des Verfassers erklärt werden kann.

Durch die im BZ-Interview vorgetragene Behauptung, dass „gemeinsames Lernen besonders für Kinder mit Lernschwäche geeignet“ sei, fegt KORTE die bisherige universitäre Ausbildung der Sonderschullehrkräfte vom Tisch. Denn KORTE schließt sich damit implizit der inzwischen weit verbreiteten Meinung an, dass bspw. ein kurzfristiger Fortbildungskurs (Modul „Lernschwäche“) für Grundschullehrer ersatzweise genügt. KORTE fordert „kleinere Klassen und eine zweite oder dritte Lehrkraft“. Er vergisst dabei, dass ohne überprüfte Gesamtkonzeption auch ZEHN zusätzliche Lehrkräfte die Lernschwäche nicht beheben können, weil nachweislich keine pädagogische Grundlagenforschung zur Lernschwäche in Deutschland existiert. Eine bestätigende Expertise dazu liegt hier vor. Diese von 3 Wissenschaftlern verfasste Expertise wurde von Frau Prof. Dr. Allmendinger, Wissenschaftszentrum Berlin, veranlasst.

Es bleibt abschließend nur folgendes lapidar festzustellen: Wer sich anmaßt, ohne abgesicherte pädagogische Forschungsergebnisse unbewiesene Behauptungen aufzustellen, der handelt nicht nur leichtfertig, sondern in höchstem Maße unwissenschaftlich. Wer sich auf diese Weise als Pädagoge artikuliert - ohne es zu sein - könnte sich sogar dem Vorwurf der Hochstapelei kaum entziehen. Es soll den Lesern überlassen bleiben, darüber zu befinden, ob im Falle KORTE von seriöser Wissenschaftlichkeit gesprochen werden kann.

Leider muss auch den Verantwortlichen der Medien empfohlen werden, die Sachverhalte vorab genauer zu recherchieren.

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